Folgt man einem Gedankengang von Jean-Jacques Rousseau, der letztendlich ganz einfach als Ausdruck des gesunden Menschenverstandes angesehen werden sollte, so existiert von Natur aus ein Gesellschaftsvertrag zwischen der Regierung eines Landes und seiner Bevölkerung. Zu unserer Zeit versteht sich das eigentlich überall dort von selbst, wo die Gesellschaft für sich beansprucht, nach demokratischen Grundsätzen zu funktionieren. Aber auch zu früheren Zeiten war dies in einem größeren Umfang der Fall, als man gemeinhin annimmt. Tatsächlich hatte ein Lehnsherr die implizite Pflicht, seine schützende Hand über seine Vasallen sowie die ihm anvertraute Bevölkerung zu halten.
Jeder weiß, dass dieser Grundsatz in der Vergangenheit immer wieder aufs Neue und in erheblichem Maße verletzt worden ist. In unserer gegenwärtigen Zeit ist daher zumindest in einigen Ländern die Freude groß, dass offiziell ein funktionierendes System gefunden wurde, in welchem ein jeder dazu aufgefordert ist, seiner Stimme Gehör zu verschaffen. Kurz, nicht länger mehr Untertan, sondern Bürger zu sein.
Dennoch muss ich bei aufmerksamer Beobachtung der Geschehnisse in unseren Landen, die wir ja doch als fortschrittlich begreifen, zunehmend das Folgende feststellen: Unsere Regierungen verstoßen in erschreckendem Ausmaß gegen diesen Gesellschaftsvertrag, in Ermangelung des Respekts, den sie den betroffenen Völkern ob ihres Regierungsauftrags eigentlich schulden.
Jedes Mittel ist Recht, diese gleichsam wie Zitronen auszupressen, zu belügen, fügsam zu machen und zu kontrollieren.
Was man also früher als Ausdruck von Monarchien und Imperien ansah, ist daher in Wirklichkeit die bedauernswerte Konsequenz einer bestimmten menschlichen Geisteshaltung, und zwar unabhängig von der Art des politischen Systems.
Die heutigen Geschehnisse, unter anderem auf dem Gebiet der Gesundheit, mit regelmäßig auf globaler Ebene nach Bedarf fabrizierten Pandemien, sind einer der augenfälligsten Belege dafür. Im Übrigen auch einer der schändlichsten. Es ist klar, dass das Hauptaugenmerk dieser Regierungen jeder Couleur darauf liegt, eine möglichst große Zahl an Individuen in jederlei Hinsicht zu zermürben sowie im Sinne eines Einheitsdenkens zu formatieren. Eines Denkens, das sich nichtsdestoweniger klar den Anschein gibt, dem Gemeinwohl zu dienen.
Dem Gemeinwohl ? Ich persönlich frage mich, worin es denn nun eigentlich besteht? Wenn es nicht schon durch einen gewissen Personenkreis, einer winzig kleinen Minderheit, unbemerkt neu definiert wurde. Ich war schon immer der Meinung, dass die gelungenste aller Konditionierungen darin besteht, alle glauben zu lassen, dass gar keine vorliege, unter geschicktem Spiel mit dem Vokabular der Freiheit, einigen großzügig verteilten sozialen Gefälligkeiten und einer Fassade der Vernunft.
Aus diesem Blickwinkel betrachtet gibt die „Bildung“, die unsere gegenwärtigen Generationen erfahren haben und weiter erfahren, ein schönes Beispiel ab. Jedes Jahr aufs Neue sind diese nun bereit, alle Widersinnigkeiten zu akzeptieren, mit denen eine neue Form der Sklaverei eingerichtet wird. So wurden die Kriterien der „Normalität“ und der Entscheidungsfreiheit in aller Stille im Laufe nur weniger Jahrzehnte umdefiniert.
Man muss nur ein klein wenig die Augen öffnen, um insgesamt zur folgenden Feststellung zu gelangen: Wir bilden uns ein, eine Wahl zu treffen, während unsere Entscheidungen durch geschickt arrangierte Umfragen und perfide Werbeschaltungen vorgeformt werden. Wir bilden uns ein, Herr unserer Meinungen und Unternehmungen zu sein, während wir systematisch in Angst und Abhängigkeit in eine bestimmte Richtung gepresst werden. Wir glauben, dass unsere Gesellschaftssysteme auf Grundlage der spektakulären technologischen Durchbrüche voranschreiten, während wir immer mehr unter psychischer Instabilität, Depressionen und einem ganzen Reigen neuer Krankheiten leiden. Wir verstehen uns als reife Gemeinschaften, aber die kleinste Reflexion über das Leben als solches lässt uns davonlaufen, und der Tod schreckt mehr denn je die Mehrheit unter uns, unfähig, dem Altern entgegenzublicken.
Welche Lösungen bieten sich hier an? Eine neue Welle an Revolutionen, als Ausdruck von manch Überdruss auf globaler Ebene? Mir scheint, Blutbäder hätten bereits ihre Gelegenheit gehabt, sich zu beweisen, und dass es mehr als stupide wäre, in ihre alten, tausendfach wiederholten Muster zurückzufallen. Die Vergangenheit lehrt, dass aus ihnen unweigerlich immer wieder ein und derselbe Typ Mensch entspringt, der sich von Macht ernährt.
Also, was ist zu tun? Die aktuelle Situation wie ein unvermeidliches Übel hinnehmen? Sich in eine Lethargie flüchten, die dem Weidevieh alle Ehre machen würde? Genau das ist es, was sich unsere Regierungen in Verletzung des Gesellschaftsvertrags von der Masse im Hypnosezustand, der wir überwiegend angehören, erhoffen.
Gandhi hat mit dem Prinzip des gewaltlosen Widerstandes zweifellos eine schöne Alternative aufgezeigt, eine großartige, mutige und effektive Form des Handelns. Leider bin ich aber nicht überzeugt, dass man ihm im Falle einer Wiederkunft noch den gleichen Platz einräumen würde. Unsere Welt hat sich ohne jeden Zweifel verhärtet, die Egoismen haben an Kraft gewonnen.
Trotz allem bin ich mir einer Sache gewiss: Das allerletzte, was wir diesbezüglich tun sollten, wäre den Rücken zu beugen. Wir sehen uns mit der schlimmsten aller Heucheleien konfrontiert: Sie nutzt den Anschein einer vermeintlichen Freiheit als Werkzeug zur Verknechtung und Massenverdummung.
Es ist wohl klar, dass ich nicht die eine Lösung anbieten kann, dennoch ist mir die eine oder andere Idee gekommen …
Ich stelle mir mit Blick auf unsere „entseelte“, also des Bewusstseins ihrer wahren Essenz beraubten Welt, des Öfteren die folgende Frage: „Was würde Christus in einer solchen Situation unternehmen? Würde Er sich mit einigen schönen, metaphysisch angehauchten Worten zufrieden geben?“ Die Antwort liegt für mich sofort auf der Hand: Nein! Natürlich nicht!
Wenn man sich Seiner Präsenz und Seiner Wirkung von vor zwei tausend Jahren besinnt, droht man allzu schnell zu vergessen, dass er vor allem ein bodenständiger Mann der Tat war, voll im Irdischen verwurzelt. Als solcher hat er es immer wieder vermocht, gegenüber den weltlich wie auch spirituell herrschenden Mächten ganz konkret Stellung zu beziehen. Tatsächlich würden ihn wohl nicht wenige im üblichen Sinne als Aktivisten betrachten – der Begriff greift keinesfalls zu weit. So hat er nie gezögert, immer wieder die Menschen aufzurütteln, um sie aus ihrer Trägheit herauszuziehen und aus der Unterwerfung gegenüber der Priesterkaste und der politischen, mit der römischen Herrschaft verknüpften Macht des Sanhedrin zu lösen.
Darüber hinausgehend würde Er uns allerdings wohl vor allem darauf hinweisen, dass das eigentliche Problem nicht bei unseren Regierungen liegt, sondern bei uns selbst. Er würde uns lehren, dass diese immer dem Spiegelbild unserer inneren Beschaffenheit entsprechen, unserer Schwächen wie auch unserer Tugenden, der zu machenden Erfahrungen, aber auch, je nach Fall, unserer Resignation und Seelenarmut. Er würde uns ganz klar auf uns selbst zurück verweisen und uns zu verstehen geben, dass wir unsere Welt entweder aufbauen oder demontieren, im Gleichklang mit all den Dingen, die uns entweder erheben oder eher abschlaffen lassen. Er würde uns folglich ermutigen, uns vor allem aus dem Inneren heraus zu bewegen. Er würde uns ins Bewusstsein rufen, dass die Menschheit selbst ihre Lebensbedingungen und die Beschaffenheit ihrer Welt hervorbringt, und dass jeglicher Wille zur Veränderung nirgendwo anders als bei ihr selbst ansetzen sollte. Die Ungeheuerlichkeiten und Verirrungen, die sie beklagt, sind schlichtweg ihre eigenen Schöpfungen, die unmittelbare Folge ihrer Niederträchtigkeiten. Er würde schließlich hinzufügen, man könne nur knechten, wer zur Knechtschaft willig sei.
Schon häufig habe ich mich wie folgt geäußert: Obwohl Seine Zeit und die unsere sich in der Tat stark unterscheiden, offenbaren sie doch eklatante Gemeinsamkeiten: Zwei Gesellschaftssysteme kurz vor dem Zerbrechen, im Zwist mit fest etablierten Denkmustern und mehr oder weniger bewusst in Erwartung von „etwas Anderem“. Zwei um Luft ringende Gesellschaftssysteme mit zunehmend verwischendem Selbstverständnis, die sich gleichwohl eigentlich als offen verstehen. Das römische Imperium war stolz auf die Freiheiten und den Wohlstand, die zu gewähren es vorgab, genauso wie unsere heutige Welt. Tatsächlich tun sich aber beide Gesellschaftssysteme in der Ausübung von Kontrolle hervor, sind mithin also auf unmerkliche Weise totalitaristisch und werden gemäß dem berühmten Prinzip „panem et circenses“ geführt, also „Brot und Spiele“. Etwas anders formuliert gemäß dem ausreichend gefüllten Kühlschrank und der beliebig verfügbaren Ablenkungen.
Nein, Christus würde ganz sicher nicht ein Gesellschaftssystem wie das unsere hinnehmen, ohne Stellung zu beziehen. Ebenso kann ich bekräftigen, dass sich für ihn überhaupt nicht die Entscheidung stellen würde, einerseits von den Realitäten des Geistes zu sprechen und andererseits die materielle Welt in ihren Alltäglichkeiten anzuprangern. Eine solche Wahl zu treffen käme für Ihn überhaupt nicht in Frage, denn jegliche Spaltung oder Abschottung waren Ihm vollkommen fremd. Nur eine Art Wirklichkeit kam für Ihn in Betracht: das Prinzip des Lebens auf der Suche seiner selbst, welches dabei alle nur denkbaren Richtungen erforscht. Er würde uns an unsere Würde und an eine innere, wieder neu zu entdeckende Vision erinnern. Er würde mit uns über uns selbst sprechen, über unser ureigenes Mysterium.
Angesichts dieser Erinnerungen wird in mir ganz einfach das Bedürfnis wach, immer wieder darauf hinzuweisen, dass es höchst dringlich und ganz entscheidend ist, sich in unserer heutigen Zeit auf allen Wegen des Lebens in seiner Ganzheit zu engagieren, ausgehend von unserem Inneren.
Wir sollten also unsere vielleicht als gar so fern erscheinende feinstoffliche Essenz nicht in Opposition zu einer materiellen Wirklichkeit stellen, einer Welt, von der es der ein oder andere als akzeptabel und unvermeidlich ansieht, dass sie sich immer tiefer in Knechtschaft und einer Art verklärtem Gleichmut festfährt. Wenn wir also ganz arglos oder aus Mangel an Mut den von unseren Regierungen an uns herangetragenen und eingeträufelten Dämmerzustand hinnehmen, dann doch wohl nur, weil wir den kostbaren Schatz unserer grundlegenden Freiheit aus dem Blick verloren haben?
Wenn wir bereit sind zu akzeptieren, lediglich eine Hülle zu sein, welche auf die Welt kommt, irgendwie ihre Existenz verbringt und schließlich dahinwelkt wie ein Gemüse, dann mögen wir uns jeglicher Beschwerde enthalten. Wenn sich allerdings hingegen tief in unserer Brust noch etwas regt, dann ist es jetzt an der Zeit, unsere Zurückhaltung aufzugeben und alles daran zu setzen, um unsere Identität und den Sinn unseres Daseins wieder zu finden.
In mir persönlich war schon immer ein solider, unerschütterlicher Optimismus verankert. Er veranlasst mich hin und wieder dazu, gewissermaßen die Peitsche zu schwingen, und er hat mich auch dazu bewegt, diese Zeilen zu schreiben. Auch wenn es möglicherweise so scheinen mag, sind sie ganz und gar nicht düster gemeint, sondern sollen eine Reaktion hervorrufen und die Erinnerung an unser aller Erbe wieder aufleben lassen.
Das eigentlich zu lösende Problem ist also in unserem Herzen verortet und nicht bei den finsteren „Aliens“, vermeintlich immer mit ihren „Implantaten“ zur Hand, und auch nicht bei ihren Mittlern auf dem Schachbrett der Weltbühne. Ich leugne nicht ihre Existenz, aber sie sind lediglich die Konsequenz unserer seelischen Dürftigkeit, unserer mangelnden Bewusstheit und unserer Herzensarmut.
Es gilt, von unserem Selbst, oder vielmehr von dem, was wir für unser Selbst halten, zu gesunden …
© Daniel Meurois