Ist Ihnen eigentlich schon einmal aufgefallen, wie viele Menschen es gibt, denen zufolge eigentlich immer alles schlecht läuft? Selbstverständlich nicht für die anderen, sondern für sie selbst. Sicherlich kennen Sie alle solche Leute aus dem Umfeld von Freunden und Familie. Gemeinhin muss man sie auch gar nicht lange suchen, da sie sich für gewöhnlich unter großem Wehklagen von alleine zu erkennen geben.
Wenn sich dann doch plötzlich einmal etwas Positives in ihrem Leben ergibt, so machen sie sich sofort daran, dessen negative Seiten aufzudecken und sie ohne Umschweife anderen zum Besten zu geben.
Als Beispiel möchte ich hier diese eine mir bekannte Person anführen, die vor einiger Zeit zu ihrem Geburtstag mit fünfzig Rosen beschenkt worden ist. Das erscheint mir doch als ein überaus achtbares Geschenk. Mir ist eine Begegnung mit ihr am Tag nach diesem Ereignis erinnerlich – und was glauben Sie, hat diese Person getan? Sie hat sich beklagt, denn fünfzig Rosen auf einmal zu versorgen bedeute ja offenkundig viel zu viel Aufwand. Die Stiele müssten regelmäßig beschnitten werden, dazu komme der tägliche Wechsel des Blumenwassers, auf dass es in der Vase nicht faulig werde usw. Und dann noch all der Platz, den der Strauß auf der Anrichte einnehme! Ganz zu schweigen von der erforderlichen Umsicht, um ihn nicht mit einer unachtsamen Bewegung des Ellenbogens umzustoßen. Was habe man sich denn bitte dabei gedacht, ihr ein solches Geschenk zu machen?
Eine offensichtlich wenig bedeutsame Anekdote, doch gebe ich sie hier deshalb wieder, weil sie exemplarisch eine gewisse Mentalität widerspiegelt, unter welcher systematisch ein Rückbau des Lebens betrieben wird. Rückbau des Lebens – nein, dieser Begriff geht nicht zu weit. Tatsächlich scheint sich so manch einer von uns zu einer tiefen Mutlosigkeit zu bekennen, ganz gleich, wie sich die jeweiligen Umstände gestalten. So wird sich ohne Unterlass in Wehklagen und Nörgeleien ergangen, und das immer schleppenden Schrittes – wie aus einem Reflex heraus.
Man mag sich noch so bemühen, den Betroffenen zu helfen, ihnen Ratschläge zu erteilen und ihnen ob der Wechselfälle ihres Lebens beizustehen. Bis hin zur Erschöpfung, angesichts derer man sich so gerade eben einzugestehen wagt, dass man sich nun nicht das ganze Leid der Welt aufbürden könne.
Nichts zu machen – uns fehlt für die Betroffenen anscheinend jegliches Verständnis. Was ich als deren „Abonnement auf Unglück“ bezeichne, gipfelt schlussendlich sogar hin und wieder darin, bei uns als Gegenüber Schuldgefühle zu erzeugen.
In Wirklichkeit haben sie nicht verstanden, dass die Saat düsterer Gedanken ebenso zuverlässig gedeiht wie wild wucherndes Kraut, dessen Ertrag keine Grenzen kennt. Wenn man den Fehler begeht, solcherlei Saat großzügig um sich zu verteilen, so profitieren zunächst unser Hof, dann unser Garten und schließlich unsere gesamte kleine Welt vom Ertrag unseres Pessimismus. Man fährt sich fest, und am liebsten hätte man, dass ein jeder uns in diesem Unterfangen folgen würde!
Darüber hinaus fehlt den Betroffenen das Verständnis dafür, dass unser Denken und ganz schlicht unser Blick auf die Welt keinesfalls belanglos sind, oder sich allenfalls wie etwas Schwammiges schnell in einer Art Nichts auflösen. Es handelt sich vielmehr um Energie in Aktion, um die Triebkraft des Lebens in seiner ständigen Ausgestaltung.
In welcher Seelenlandschaft wir leben, liegt in der Verantwortung von uns allen! Sie entsteht als Abbild nicht nur dessen, was in unserem Kopf, sondern auch dessen, was in unserem Herzen wohnt! Wir sind es und niemand anders, die wir uns letzten Endes die Ereignisse und Umstände auf unserem Weg bereiten. Kaum, dass wir Freude und Hoffnung in die Welt hineingegeben haben, kommen sie schneller als gedacht zu uns zurück. Auf diese Weise werden sie zu unserer steten Kraftquelle – ganz gleich, welchen Schwierigkeiten wir begegnen mögen.
Wie häufig habe ich nicht schon von Herrn oder Frau Soundso vernommen, wie sie gleichsam als Leitmotiv und unter tiefen Seufzern lautstark verkünden: „Niemand hat mich lieb. Niemand trifft sich mit mir, und niemand lädt mich irgendwohin ein.“ Zu Anfang rührte mich das noch zu Tränen und ich habe versucht, Worte des Trostes zu finden – von der Art, wie sie einem spontan kommen, aber leider auch recht häufig nicht allzu viel auszurichten vermögen. Wie oft habe ich mich damit abgemüht, mögliche Lösungen zur Erleichterung von anscheinend ganz furchtbaren Lasten zu finden!
Ich kam aber nicht umhin festzustellen: Dieses Fass hat keinen Boden. Schließlich habe ich mich dann der, wie ich meine, wahren Natur des Problems genähert, und hier schließt sich der Kreis wieder mit dem oben bereits Gesagten: Unsere Fähigkeit zur Großzügigkeit dem Leben gegenüber bestimmt dessen Farbe und Geschmack. Die Liebe ruft die Liebe herbei. Wenn wir geben, wird uns ebenfalls gegeben, kurz: Es ist das Licht, welches das Erstrahlen weiteren Lichts zu erwecken vermag!
Mich bekümmert also, dass man mich nicht liebt? Aber wie ist es denn mit mir – liebe ich andere Menschen? Habe ich jemals dafür Sorge getragen? Ist es nicht vielmehr so, dass ich stets erwartet habe, man möge auf mich zukommen, ganz so, als ob ich ein Anrecht auf die Zuwendung der anderen hätte?
Ja, ich wiederhole mich, die Freude und die Hoffnung wollen ausgesät und gehegt und gepflegt werden! Wenn man das einmal verstanden hat, so ist das sprichwörtliche Glas selbst im Unglück immer eher halb voll, denn halb leer. Viel hat man in den letzten Jahren vom Prinzip der Fülle gesprochen – es gilt wahrlich nicht nur für die materiellen Aspekte unseres Lebens! Vielmehr beruht es auf einem Geisteszustand, der uns unsere Rolle als Schöpfer unseres eigenen Schicksals erfahren lässt und unser ganzes Sein nährt.
Wenn Sie sich auf den Standpunkt stellen, dass Ihnen nichts je gelingen wird, so sollte Ihnen bewusst sein, dass sich dadurch stets nur Wolken über Ihrem Kopf zusammenbrauen werden. Es wird Ihnen sogar wie ein Hirngespinst vorkommen, wenn sich durch reinen Zufall die Sonne dann doch einmal in Ihre Ecke verirrt. Es gilt zu verstehen, dass das fortwährende Abonnement des Unglücks und der Desillusion als eine Art Virus daherkommt, mit dem sich die Seele immer wieder selbst infiziert. Genau dieser Tatsache sollte man sich bewusst werden und sich, soweit man sich von dieser Betrachtungsweise angesprochen fühlt, in aller Demut die wahren Fragen stellen.
Ich jedenfalls glaube, dass es nicht einen einzigen Virus gibt, dem man nicht beikommen könnte. Vielmehr glaube ich erkannt zu haben, dass unsere Seele das Bedürfnis hat, im Laufe der ihr geschenkten Leben einfach alles zu erproben, insbesondere das Aufsuchen einer großen Zahl an Sackgassen, und vor allem solcher, wo Wildkraut üppig wuchert.
Warum das? Um schließlich das Wagnis eines klaren Blickes einzugehen, der uns nicht nur die Intelligenz der Gesetze des Lebens erkennen lässt, sondern vor allem auch dessen Freigiebigkeit.
Unser großes Vorbild sollte das Leben in seiner wahrhaftigen Essenz sein, denn es ist nichts anderes als ein ewiges Geben und Nehmen.
Daniel Meurois