Ich habe das Glück, in einem Haus mit kleinem Ziergarten zu leben. Jedes Jahr, wenn die schönen Tage wiederkommen, beobachte ich mit großem Vergnügen meine kleine Naturecke.
Ich staune über das schnelle Wachstum und die Vielfältigkeit der Pflanzenarten, die ihren Charme ausmachen. Ich schneide, ich pflanze… wahrscheinlich wie viele von Ihnen, die das gleiche Glück haben.
Seit mehreren Jahren jedoch habe ich große Freude daran, die üppige und unglaublich vielfältige Welt der Kräuter, Pflanzen, Sträucher und Bäume mit anderen Augen zu betrachten.
Ich würde sagen, dass ich mit Genuss die kaum versteckte Psychologie der Pflanzen entdecke. Manche mögen über das Wort „Psychologie“ in einem solchen Zusammenhang vielleicht nur lächeln. Laut Definition existiert ein Gewächs nur in einem vegetativen Zustand, nicht wahr?
Und doch! Haben Sie schon bemerkt, dass einige Pflanzenarten in ihrer Entwicklung eine erstaunliche Analogie zu bestimmten menschlichen Verhaltensweisen zeigen?
Es gibt Pflanzen, die einfach nur schön und großzügig sind, und dann wiederum andere, die sich in alle Richtungen ausbreiten, sich an allem festkrallen, was ihnen in den Weg kommt, andere ersticken oder sich von deren Substanz ernähren. Letztere sind auch manchmal der Grund, dass wir die anderen Pflanzen übersehen, die nur einfach da sind und nicht unbedingt einen reichhaltigen Boden brauchen, um das Schönste in sich zu entfalten.
Es gibt auch anpassungsfähige und disziplinierte Pflanzen, die ganz brav da wachsen, wo man sie gesät hat, während andere, nicht weit davon entfernt, immer durstig sind, nie genug Sonne bekommen können oder im Gegenteil zu viel davon haben.
Licht, Schatten, Trockenheit, Feuchtigkeit… Es ist nicht ganz einfach, diese kleine Welt zu „verwalten“, zumal man schon mit weniger Aufmerksamkeit schnell feststellen kann, dass sich manche Arten schlecht vertragen. Selbstverständlich gibt es auch bei Pflanzen Unverträglichkeiten!
Ich würde sagen, dass es hochmütige, einsame, schüchterne, großzügige, unermüdliche, empfindliche, aufdringliche und auch ganz einfach sanfte und schöne Pflanzen gibt.
Jeder weiß auch, dass es Morgenpflanzen gibt, andere Sorten, die es vorziehen, dem Lauf der Sonne Schritt für Schritt zu folgen, andere wiederum, die ihren Duft nur bei Einbruch der Dämmerung verströmen. Es gibt Pflanzen, die sich zurückziehen, sobald man sie berührt und solche, die nur im Winter blühen. Und schließlich gibt es Pflanzen, die am Boden herumkriechen, während andere nur leben können, wenn sie sich in den Himmel emporschwingen.
Was kann man noch sagen? Manche Pflanzen nähren den Boden, der sie getragen hat, wenn sie absterben und andere wiederum tragen zu seiner Übersäuerung bei.
Wenn ich mich dabei beobachte, wie ich inmitten dieser kleinen Welt versuche, das möglichst schönste Gleichgewicht zwischen den Pflanzen herzustellen, damit jede Art ihren gerechten Platz bekommt, ohne erstickt zu werden oder andere zu ersticken, denke ich oft an unsere menschlichen Gemeinschaften und wie schwierig es ist, Harmonie in ihre Mitte zu bringen.
Im Laufe der Jahre stelle ich immer wieder fest, dass das Gesetz der Analogie tatsächlich das Gesetz des Universums ist. Es ist ein bisschen so, als hätte die Natur selbst große, ewige Archetypen erzeugt, wonach alle Reiche zwangsläufig angeordnet sind.
Mir scheint, dass solche Archetypen tatsächlich in allen Lebensbereichen zu finden sind – in den Formen und der damit verbundenen Ästhetik, in den Funktionen, in den Temperamenten sowie in den Verhaltensweisen.
Wem ist noch nicht aufgefallen, dass wir Menschen in vieler Hinsicht unbewusst dem einen oder anderen Tier ähneln?
Machen wir die Augen auf… Gibt es keine unter uns, die an das Aussehen oder die Wesensart eines Windhundes, einer Bulldogge, einer Raubkatze oder eines Wiederkäuers, eines Vogels, Wiesels, Frosches, Fisches oder sogar eines Insektes erinnern?
Ich mache Ihnen ein Geständnis… Ich habe mich selbst immer als „Bearded-Collie“ gesehen, eine englische Hirtenhundrasse mit Bart und langem Fell und dem Benehmen eines „Geländewagens“.
Aber kommen wir zu unseren Pflanzen zurück und damit auch zu den Gedanken, die sie in uns anregen können. Sie ahnen wahrscheinlich, dass ich einen bestimmten Grund habe, Sie in diese Richtung zu lenken.
Ich glaube tatsächlich, dass es sehr aufschlussreich sein kann, sich selbst zu beobachten und die eigene Haltung und die eigenen Reaktionen mit den großen archetypischen Grundmustern zu vergleichen, die uns die Welt der Pflanzen unmissverständlich anbietet.
Man sollte sich einen Augenblick Zeit nehmen und sich mutig aber auch im Spaß die Frage stellen: „Wenn ich eine Pflanze wäre, welche wäre ich? Eine Ackerwinde? Ein Gänseblümchen auf der Wiese? Eine Tulpe? Flieder? Oder auch ein Kaktus… Löwenzahn, Efeu oder Geißblatt… Eine Rose? Ein bisschen einfach, oder?“
Es gibt natürlich Tausende von Antworten. Kein Kraut, keine Pflanze ist schlecht an sich, weil alle aus der heiligen Kraft, die man das Leben nennt, entstanden sind. Sie müssen nur an der richtigen Stelle sein, damit sie ihre Aufgabe erfüllen können.
Machen Sie die Erfahrung dieser Reflexion… Die Antwort, die Ihnen einfallen wird, wenn sie ehrlich ist, kann sehr lehrreich sein… Wenn wir lernen, unsere Masken besser zu durchschauen, unsere Schwächen und Stärken besser zu identifizieren, dann kommen wir uns selbst näher, dann kommen wir dem Zustand näher, der uns Frieden bringt.
Die Absicht einer solchen Übung ist nicht, sich selbst anzuprangern oder zu verherrlichen. Indem jeder von uns sich die Mühe macht, sich selbst besser kennen zu lernen, kann er hoffen, das Beste aus sich hervorzubringen.
Wenn man eine größere Selbstbeherrschung erlangt, hat man einen großen Schritt in Richtung mehr Harmonie gemacht… Leider wird diese Wahrheit in keiner Schule gelehrt. Diese grundlegende Wahrheit könnte uns helfen, die Welt – beginnend mit unserem unmittelbaren Umfeld – ein bisschen schöner, ein bisschen klarer zu machen… Sie könnte uns auch helfen, unseren Platz darin zu finden.
Man sagt, wir seien alle Mitschöpfer…
Glauben Sie nicht, dass diese Reflexion in der heutigen Zeit hilfreich sein könnte? Das war nur so eine Idee… und meine Art, in einer Zeit des Wandels etwas weniger vegetativ zu sein.

© Daniel Meurois